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“Was wollt ihr Deutschen verdammt noch mal?

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 25.10.2018 12:15
Für viel Wirbel in der polnischen Presse sorgt das Treffen des deutschen und polnischen Präsidenten im Auswärtigen Amt in Berlin.

Rzeczpospolita: Was hat der Präsident in Berlin gewonnen?

In der konservativen Rzeczpospolita schreibt Michał Szułdrzyński, dass das Treffen in Berlin leider durch unglückliche Aussagen des polnischen Präsidenten über Glühbirnen und Vergewaltigungen überschattet wurde. Einer der Gründe für die Entscheidung der Briten die EU zu verlassen, sei die Einmischung der EU-Institutionen in interne Angelegenheiten, sagte das polnische Staatsoberhaupt und gab als Beispiel den Kaufverbot von herkömmlichen Glühbirnen. Ein Argument, dass oft von EU-Skeptikern betont wird, bemerkt der Autor.

Als Nächstes wurde Duda mehrmals von Journalisten über die Rechtsstaatlichkeit in Polen befragt und warum dieses Thema von öffentlich rechtlichen Medien nicht ausreichend behandelt werde. Hier kam es zu einer unglücklichen Aussage Dudas, denn der gereizte Präsident antwortete, dass er polnische Medien nicht beaufsichtigte. Diese seien in einer guten Kondition, zumal sie über Vergewaltigungen an polnischen Staatsbürgerinnen nicht schweigen würden, was eine klare Anspielung auf die Silvester-Ereignisse in Köln vor zwei Jahren war.

Laut Szułdrzyński sei der Verlauf der Debatte in Berlin ganz anders geplant worden. Die Parteien seien sich einig gewesen, dass man über Geschichte sprechen und aktuelle Themen vermeiden würde. - Es sollte eine Feier zum 100. Jahrestag der polnischen Unabhängigkeit sein, anstatt wurde daraus ein Streit – klagt einer der Beamten, der den Besuch des Präsidenten vorbereitete.

Der Präsident habe das Recht gehabt, vom Verlauf des Treffens überrascht zu sein und sich von der deutschen Seite angegriffen zu fühlen, lesen wir weiter. Auf der anderen Seite aber sei es kein Wunder, dass deutsche Journalisten über den Konflikt um den Obersten Gerichtshof Polens fragen.

Wieso ließ sich der Präsident von Gefühlen mitreißen? Hat Polen durch sein Verhalten etwas erreicht, fragt Szułdrzyński. Hat sich Polen dem strategischen Ziel, die Nord-Stream 2 Gasleitung zu blockieren, genähert? Hat Duda aktuelle Probleme in bilateralen Beziehungen zu Deutschland gelöst? Die Antworten auf all diese Fragen sei "Nein". Das einzige was der Präsident erreicht habe seien weitere Imageverluste Polens.

Klub Jagielloński: “Was wollt ihr Deutschen verdammt noch mal?

Marcin Kędzierski wiederum schreibt für die polnische Denkfabrik Klub Jagielloński, dass Polen und Deutschland wie eine Mantra wiederholen, dass sie einander wichtig sind, und dass es trotzdem auch schwierige Themen gäbe, über die man sprechen sollte. Darunter seien Rechtsfragen der polnischen Minderheit in Deutschland oder Kriegsreparationen, aber in Wirklichkeit wurde das 19. Deutsch-Polnische Forum von zwei Themen dominiert: der Reform des Justizsystems in Polen und dem Bau der Nord-Stream 2.

Das Problem hierbei sei, so Kędzierski, dass das Gespräch über diese Themen keinen Sinn mache. Sowohl die polnische als auch die deutsche Regierung könne sich aufgrund interner politischer Bedingtheiten aus ihren Plänen nicht zurückziehen. Infolgedessen könnte man das Treffen in Berlin schon nach fünf Minuten beenden.

Die abschließende Debatte beider Präsidenten, zur Feier des hundertsten Jahrestags der Unabhängigkeit Polens, soll einen schlechten Eindruck hinterlassen haben. Der polnische Präsident, überzeugt der Autor, ließ sich von Emotionen mitreißen und überschritt Grenzen des guten Geschmacks, indem er über Glühbirnen sprach und Anspielungen auf Vergewaltigungen in Köln machte. Kędzierski wendet sich aber auch mit der Frage an die "deutschen Freunde", worum es Deutschen generell ginge und wozu Deutschland das ganze Affentheater um die Unabhängigkeitsfeier Polens organisiert habe? Wieso habe auch Präsident Steinmeier auf die abschließende Frage einer deutschen Studentin über die Unterstützung von Jugendprojekten geantwortet, dass alle froh sein sollten, dass Deutsche heute nach Wrocław kommen wollen, ohne über die Revision der Grenzen nachzudenken. Sollten Polen wirklich dafür dankbar sein, fragt Kędzierski.

Wieso habe Deutschland den Präsidenten eines der wenigen Länder in Europa, das Deutschland immer noch "mag", zu solch einem Anlass so unehrenhaft behandelt und das in einer Situation, in der polnische Bedenken über deutsche Deals mit Putin ignoriert werden, heißt es weiter. Und wenn die PiS-Regierung in der Justizreform einen Schritt zurückmache, würde Berlin dann den Bau der Nord-Stream 2 wirklich abbrechen? Unsere Denkfabrik, argumentiert Kędzierski als Fazit, ermutige politische Eliten Polens seit langem dazu, mit Deutschland näher zusammenzuarbeiten. Leider frage sich der Autor jedes Mal, wenn er aus Deutschland zurückkommt, warum es sich immer noch lohne, Berlin zu mögen. Spanier, Griechen und Italiener hätten längst damit aufgehört. Die Frage bleibe somit, ob Deutschland alle in Europa gegen sich haben möchte, heißt es am Schluss.

Piotr Siemiński

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