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Wer sind eigentlich die Schlesier?

PR dla Zagranicy
Jakub Kukla Jakub Kukla 12.12.2013 12:06
Die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, nachdem Schlesien keine Nation sei, findet ein breites Echo in der polnischen Presse.

RZECZPOSPOLITA: Wer sind eigentlich die Schlesier?

Die Entscheidung des Obersten Gerichts in Warschau scheidet weiterhin die Gemüter. Das Gericht hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass auch Traditionen oder Dialekt nicht die Deutung zuließen, dass es eine schlesische Nationalität gibt. Ein Bemühen um Autonomie laufe auf eine Schwächung der staatlichen Einheit hinaus, hieß es in der Entscheidung der Richter. Seitdem die Entscheidung des Gericht veröffentlicht wurde, haben mehrere Intelektuelle schlesischer und nicht-schlesischer Herkunft das Wort in der Diskussion ergriffen. Die heutige Tageszeitung Rzeczpospolita bringt eine weitere Polemik zu dem komplizierten Thema.

Der Publizist Piotr Semka stimmt mit der Entscheidung des Obersten Gerichts völlig überein. Weder die kulturellen Unterschiede, noch die 600-jährige Trennung Schlesiens vom polnischen Staat begründen die These, dass es eine schlesische Nation gäbe, meint Semka. Die eigene Position bestärkt der Publizist mit mehreren Argumenten. Eines der wichtigsten ist unter anderem die Frage, wer mit dem Termin Schlesier eigentlich gemeint ist. Handle es sich um diejenigen 200 Tausend Menschen, die bei der letzen Volkszählung in der Rubrik Nationalität nur „schlesisch” eingetragen haben? Oder um die 4 Millionen Menschen, die heute in der Wojewodschaft Schlesien leben? Oder vielleicht nur um diejenigen, die in dem Oberschlesischen Ballungsgebiet wohnen? Wie sollte man daher die Umsiedler aus den ehemaligen polnischen Ostgebieten betrachten? Seien das schon Schlesier oder noch nicht, fragt Semka.

Es gäbe mehrere Definitionen, aber nur eine Schlussfolgerung, führt der Publizist fort. Diejenigen, die sich für eine schlesische Nation aussprechen, seien in der Minderheit. Der Großteil der heutigen Bewohnern von Oberschlesien definiere sich als polnische Staatsbürger oder als Polen und Schlesier. In der heutigen Welt dominiere die Ansicht, dass jeder frei über sich selbst entscheiden kann. Zum Glück gäbe es noch das Kriterium des nüchternen Verstands und der linguistischen Analyse der Sprache. Schlesisch sei keine separate Sprache – es sei ein Dialekt der polnischen Sprache. Es bestünden daher keine Argumente für die These, dass es eine schlesische Nation gibt, so Piotr Semka in der Rzeczpospolita.

RZECZPOSPOLITA: Wer fürchtet die Schlesier?

Einer entgegengesetzter Meinung ist der Journalist der Tageszeitung Rzeczpospolita Jaroslaw Giziński. Seit Jahren bemühen sich mehrere Organisationen und Verbände in Oberschlesien um eine Anerkennung als ethnische Minderheit der Oberschlesier, die sich weder ganz als Polen noch als Deutsche sehen. Das Entstehen und Vergehen von Nationen sei ein dynamischer Prozess. Auf unseren Augen verschwinden ganze Nationen, wie zum Beispiel die Lausitzer. Es sei schwierig zu definieren, wann genau eine Nation entsteht. Er sei nicht der Meinung, dass eine schlesische Nation bereits existiere, meint Giziński, aber darüber dürfen nur die Betroffenen selbst, und nicht ein Gericht entscheiden. Die Anerkennung einer neuen Minderheit würde Polen, dem wohl national homogensten Staat in Europa, keine Schaden hinzufügen. Bislang brächten die polnischen Behörden den Schlesiern Verachtung entgegen. Die Entscheidung des Obersten Gerichts sei ein weiterer Beweis dafür, lesen wir.

Die Schlesier wollten sich nun in Strasbourg beklagen, schreibt der Publizist weiter. Viel werde dieser Schritt nicht bringen. Europa kümmere sich um autochtone Minderheiten wenig – angeblich um Konflikte zu vermeiden. Hätten die Schlesier die Intoleranz gegenüber schlesisch sprechenden Homosexuellen oder Muslimen beklagt, dann hätten sie weitaus größere Chancen auf Unterstützung, meint Jaroslaw Giziński in Rzeczpospolita.

Autor: Kuba Kukla
Redaktion: Joachim Ciecierski

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