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Bummel-EC statt Fliegender Schlesier

PR dla Zagranicy
Markus Nowak 10.12.2012 13:11
Das deutsprachige Wochenblatt hievt in ihrer aktuellen Ausgabe das Thema Eisenbahn auf ihre Titelseite.

WOCHENBLATT: Bummel-EC statt Fliegender Schlesier

Das Sprachorgan der deutschen Minderheit in Polen, das Wochenblatt, hievt in ihrer aktuellen Ausgabe das Thema Eisenbahn auf ihre Titelseite. Autor Holger Lühmann schreibt über die Pläne der Deutschen Bahn (DB) und der polnischen Staatsbahn (PKP), den Eurocity von Berlin nach Krakau künftig nicht mehr über Oberschlesien rollen zu lassen. Wegen einer Streckensanierung zwischen Katowice und Kraków wird der EC Wawel, wie er offiziell heißt, von Berlin nur noch bis Wrocław/Breslau fahren – die Stationen Oppeln und weitere Städte in Oberschlesien, wo die meisten Deutschen in Polen leben, bleiben damit abgehängt. Eigentlich wäre diese Streckenkürzung um 300 Kilometer nicht nötig, denn die Baumaßnahme erstreckt sich auf einen 80 Kilometer langen Trassenabschnitt, schreibt Lühmann. Doch wird nun diese einzige Tagesverbindung von Schlesien nach Deutschland nun stillgelegt. Grund: „die erfahrungsgemäß geringe Zugauslastung“.

Dass die Gleissanierung mehr als nötig ist, erkennt das „Wochenblatt“ durchaus. Denn derzeit braucht der EC Wawel zwischen Hamburg und Krakau ganze 14 Stunden für einen Kurs – mit dem Auto geht es diese Fahrt, bei moderaten 120 km/h, in neun Stunden zu bewältigen. Lühmann erinnert daran, dass die Anbindung Berlin-Oberschlesien in ferner Vergangenheit keineswegs schon langsam war: „Der Fliegende Schlesier war Ende der 1930er Jahre zwischen Berlin und Beuthen ein Schnellzug europäischer Spitzenklasse, quasi der ICE oder TGV im damaligen Europa.“ Doch derzeit verliere die Bahn zu viele Passagiere an Fernreisebusunternehmen,die Polen mit deutschen Städten zum einen schneller – zum anderen auch günstiger verbinden. Ein anderer Konkurrenzfaktor ist der Individualverkehr – also das Auto.

Dazu schreibt Wochenblatt-Chefredakteur Till Scholtz-Knobloch einen Kommentar und glaubt, das Image der Bahn müsse sich ändern, sonst verliere sie immer mehr Kunden, die sich zu Gunsten des Autos entscheiden. Ohnehin sei Polen nach den Jahren des Kommunismus in einer Art Autoeuphorie. Polen „befinde sich im Autorausch, so wie die Bundesrepublik in den 50er und 60er Jahren nach Zeiten der Entbehrung der so genannten „Fresswelle“ verfiel, als man es sich leisten konnte und gegen jede gesunde Logik einen Schweinebraten nach dem anderen in sich hineinschaufelte“, schreibt das Wochenblatt aus Oppeln.

UWAZAM RZE: Die Krise erfasst auch Tusk

Die nationalkonservative Wochenzeitung „Uwazam Rze“ gilt nicht gerade als regierungsfreundlich. In ihrer aktuellen Ausgabe kritisiert sie noch mehr als sonst die Arbeit von Regierungschef Donald Tusk und seinem Kabinett – und macht das sogar auf dem Titelbild deutlich. Darauf ist Donald Tusk mit Dreitagebart, einer ausgefranzten Mütze und Jacke und einem Glasauge abgebildet – kurzum als Obdachloser. „Die Krise erfasst auch Tusk“, ist der Titel der diesmaligen Ausgabe – und auch der Titel des Artikels von Tomasz Urbas. Darin geht es darum, dass selbst ausländische Zeitungen von einer schrumpfenden polnischen Wirtschaft schreiben – so schlecht seien die Aussichten der Wirtschaft seit der Finanzkrise 2009 nicht gewesen, so der Autor. Denn während in den westeuropäischen Ländern und der USA die zum Teil stärkste Krise seit 80 Jahren bestand, ging Polen mit einem Wirtschaftswachstum durch die wirtschaftlich schwierige Zeit.

Vor allem sei das der Rhetorik von Regierungschef Donald Tusk und seinem Kabinett zu verdanken, schreibt das Magazin „Uwazam Rze“. Denn das wirtschaftliche Phänomen Tusks, so der Autor, lag an der medialen Übermittlung. Stichwort sei das Versprechen der Regierung, aus Polen ein zweites Irland zu gestalten. Tusk habe einen Massenoptimismus verbreitet, so die „Uwazam Rze“. Die Polen haben es geglaubt, eingekauft und damit die Konsumption angetrieben und investiert. Das brachte einige Jahre an wirtschaftlichem Erfolg – doch sei der Vergleichbar mit den Jahren Gierek, als der polnische Kommunistenführer den Polen für einige Jahre gefühlten Wohlstand lieferte – aber auf Pump.

Wo immer man nicht schaut, so kommt der Autor zu dem Schluss. Hinter den lautstarken Worten vom Erfolg verbergen sich keine großen Programme, die durch Verschuldung angetrieben werden. Und die Staatsverschuldung steige weiter an und mit ihr schwindet die Kauflust der Konsumenten mehr und mehr – aber auch die der Investoren ihr Geld anzulegen. Die polnische Wirtschaft stehe vor einer schweren Krise, schreibt Autor Urbas. Schwer nicht daher, da sie diesmal nicht externe Faktoren ausgelöst haben, sondern interne. Optimistisch sei aber, dass nur radikale und mutige Änderungen sie bewältigen können – und diesmal friedliche Umstände sie begleiten, schreibt das Wochenblatt „Uwazam Rze“.

Autor und Sprecher: Markus Nowak

Redaktion: Joachim Ciecierski

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